Bin wieder zuhause. Es ist drückend warm draußen. Gleich muss ich zu Media Markt.
Naja, heute wollte Alket mit mir die Arbeit tauschen, da sie keine Lust mehr auf ihre Arbeit hat. Ich sagte nur „nö, ich mache meine Arbeit weiter.“ Und sie „aber ich habe keine Lust mehr auf den Scheiß und da steht keine Namen an den Arbeiten!“ Ich darauf wieder. „Spielt keine Rolle, es ist so eingeteilt worden und das reicht vollkommen. Und außerdem geht das hier nicht nach Lust, Süße!“ Danach ignorierte ich sie und sie war ruhig für den Rest des Tages. Schöner wäre es, wenn sie endlich weg wäre. Aber heute hat sie ja schon mal wieder auf Granit gebissen, das ist toll.
Ich habe heute bei Schuhmacher auch wieder viel an 1994 gedacht, dadurch, dass ich gestern so viel dazu geschrieben habe. Und an das Kapitel Maria. Maria, die ich Karneval 94 an Altweiber in der Pizzeria kennenlernte und zu erst nicht mochte, da sie laufend zu uns rüberglotzte und ich mich von ihr beobachtet fühlte. Sie arbeitete da als Thekenkraft. Immer wenn ich auf der Tanzfläche war, spürte ich ihre Blicke auf meiner Haut. Und dann lästerte ich mit Ilka, einer Freundin über sie. Das war schon nicht in Ordnung damals. Und dann als ich gegen elf Uhr zuhause war, mir die Augen vom Rauch brannten, war ich froh, diesen Blick-Fesseln entwicht zu sein. Nur am Wochenende dachte ich komischerweise wieder an diese Frau. Es war volles Haus bei uns. Von meinem Vater die Freundin war mit ihren beiden Kindern da. Und mit der Tochter der Freundin habe ich wieder gelästert. Über diese Frau mit dem strengen Gesicht und diesem Röntgenblick, die Sahra auch aufgefallen war. Und dann gegen Nachmittag geschah was Komisches. Gerade trällerte ein ziemlich romantisches Lied durch die Stereoanlage, da überkamen mich irgendwie zärtliche Gefühle. An Maria. Warum hasste ich diese Frau denn so, nur weil sie mich laufend angestarrt hatte? Ich zog mich ins Schlafzimmer zurück und kuschelte mich aufs Bett. Da waren plötzlich ziemlich zärtliche Gefühle zu dieser Frau, die doch was außergewöhnliches an sich hatte. Dieses strenge Gesicht, die vollen Haare und der südländische Typ. Ich hoffte, wir würden ziemlich bald wieder in die Pizzeria nach Wegberg fahren. Trotz meines Freundes waren diese Gefühle dann immer wieder mal
Mein Vater konnte nicht verstehen, dass ich aufeinmal so furchtbar gerne in der Pizzeria war und so oft bettelte, dass wir dahinfahren. (Ich war ja erst 13 und hatte noch keinen fahrbaren Untersatz) Und mir ratterte auf den Weg dahin oft ganz schön das Herz. Und da war eine Angst, sie könne irgendwie eines Tages nicht mehr dort sein.
Dann fand ich es sehr schön, als eine Familienfeier dort war, und Maria mit an unserem Tisch saß und sie mich immer wieder anlächelte. Es beseelte mich richtig.
Naja, mein Benehmen war damals leider nicht das beste, und ich benahm mich auch schon mal recht pflegelhaft. Ich weiß nicht was in mich gefahren war, ob ich meine Achtung vor Maria damit überspielen wollte. Aber jedenfalls ärgerten meine Freundin und ich sie als wir in der Pizzeria waren. Es war im Mai 94. Unsere Eltern saßen gerade an den Tischen und besprachen etwas, als Ilka und ich auf die Toilette gingen. Maria war gerade dabei, Handtücher aufzufüllen, als wir in ihrem Beisein anfingen zu lästern und um sie rumkreisten. Es war mies. Und Maria guckte uns nur traurig an und schüttelte den Kopf.
Und leider behandelte ich sie weiter schlecht, als ich noch ein paar mal in die Pizzeria kam. Es war während des schlimmen Sommers 94. Obwohl ich mich immer freute, sie zu sehen, behandelte ich sie so. Und dann sah ich sie zum letzen mal, das war gegen Ende des Sommers. Ich saß mit meinem Vater und ein paar bekannten am Tisch und wir waren in ein Gespräch vertieft und ich wollte Maria gerade eine Grimmasse schneiden. Ich drehte mich zu ihr hin und sah direkt in ihr Gesicht hinein und sah auch dass sie Tränen in den Augen hatte. Sie sah sehr traurig und ängstlich aus. Dieser Blick ging mir echt durch und durch. Ich starrte auf die CD-Hüllen, die auf unserem Tisch lagen und schämte mich plötzlich fürchterlich für meine Frechheiten und spürte auch in meinen Augen Tränen. Ich atmete tief durch und signalisierte Maria mit einem Blick, dass ich mit ihr Kontakt aufnehmen möchte. Sie lächelte mich an. Ich versuchte, eine ruhige Minute zu finden, wo ich mich bei ihr entschuldigen könne. Aber die fand sich nicht, da sie immer wieder von ihrer Chefin gerufen wurde. Mehr als Blickkontakt war nicht möglich. Sie hatte Angst vor etwas, das merkte ich. „Kopf hoch!“ versuchte ich mit meinem Blick zu sagen. Sie antwortete mit einem dankbaren Lächeln. Und dann wollte mein Vater nachhause fahren, da schaffte ich es noch, Maria kurz in den Arm zu nehmen. Das war dann das letzte Mal wo ich sie sah.
Dann irgendwann im tristen Oktober 1994, da hatte mich mein Vater für die Pfadfinder in Wegberg angemeldet. Er sagte, Mittwoch sei dort mein erstes Treffen und wir würden uns vorher in der Pizzeria mit dem Pfadfinderleiter treffen. Das ließ mein Herz natürlich höher schlagen.
Dann war Mittwoch, ein bewölkter Tag. Ich war auf der Fahrt dorthin natürlich wieder aufgeregt und ich spürte auch, dass etwas nicht stimmte. Dann in der Pizzeria drin, hielt ich Ausschau nach Maria, doch da war leider nur eine andere Thekenkraft. „Wo ist denn Maria?“ fragte ich die Hauschefin. Diese sah mich betreten an. „Maria kommt nicht mehr, sie ist zurück nach Italien. Sie….keine Ahnung!“. Meine Knie wackelten. Ich versuchte cool zu bleiben und mir meinen Schock nicht anmerken zu lassen. Ungläubig ging ich in den Toilettenraum, weil ich irgendwie hoffte, sie dort anzutreffen. Natürlich nichts! Ich sperrte mich in die WC-Kabine und heulte nur noch Rotz und Wasser. „Alles kaputt!“ dachte ich nur. Mein Opa tot, meinen Freund darf ich nicht mehr sehen, der Ärger mit dieser Mädchengang in der Schule. Alles kaputt! Blitzartig schossen mir die schönen Erinnerungen des Frühlings 94 durch den Kopf und ich heulte nur noch drauf los. Anschließend wusch ich mein Gesicht mit kaltem Wasser ab und ging dann mit einem Lächeln zu den anderen zurück. Ich redete cool und ließ mir nichts anmerken.
Bei den Pfadfindern hatte ich dann wirklich keinen Bock mehr. Ich saß nur darum und kritzelte auf meinem Blatt. Mir ging alles auf den Geist dort. Der vergammelte Raum, die Mädchen, die nur rumlachten, aber sonst wirklich nett waren. Ich redete fast kein Wort und wollte nur noch nachhause und mich in meinem Zimmer einsperren und drauflosheulen, wie ich dies nach Opas Tod oft gemacht hatte. Wieder das Lied „united“ von Marky Mark dabei hören.
Und zuhause ging ich auch schnurstracks in mein Zimmer. Ich ließ „I like to move it!“ von Real to Real aus den Boxen hämmern, immer und immer wieder. Bis spät in den Abend hinein. Schon genug Mist passiert im Sommer 94 und nun noch Maria weg. Ich fragte mich, ob ich sie noch mal sehen würde.
Maria habe ich nicht mehr wiedergesehen. Ich habe im Sommer 1995 nach ihr gesucht und versucht, irgendwie einen Kontakt herzustellen, blieb aber ohne Erfolg.
Zuletzt geändert von Eveli1981 am 7. Jun 2007, 11:39, insgesamt 2-mal geändert.
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